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Dienstag, 22. Januar 2019

Aesop (6. Jhd. v. Chr.) - einige Fabeln


Äsop (Αἴσωπος Aísōpos

lebte im alten Griechenland etwa im 6. Jahrhundert vor Chr. Er war ein bekannter Dichter von Fabeln und Gleichnissen. Da man später in der Antike zwar seine Fabeln kannte, aber wenig von seinem Leben, wurde er bald zur legendären Gestalt. Geboren wurde er wohl in Thrakien oder auf Samos. Er war einmal ein Sklave des Iadmon von Samos. In Delphi wurde er wegen des angeblichen Diebstahls eines sakralen Gegenstandes angeklagt, aber eigentlich weil er die Delphier wegen Sakrilege und zu hohen Geldannahmen für ihr Orakel kritisiert hat. Er wurde zum Tode verurteilt und etwa 650 v. Chr. (+/- ein paar Jahre) zum Tode verurteilt und von einem Felsen gestürzt.


Der Esel auf Probe

Ein Mann kaufte einen Esel, aber nicht gleich endgültig, sondern er machte eine Probezeit aus. Als er mit ihm in seinen Hof kam, wo schon mehrere Esel teils bei der Arbeit, teils bei der Abfütterung waren, ließ er ihn frei laufen. Sogleich trottete der neue zu dem faulsten und gefräßigsten Gefährten und stellte sich zu ihm an die Futterkrippe. Da legte ihm der Mann den Strick wieder um den Hals und brachte ihn dem bisherigen Besitzer zurück.
»So schnell kannst du ihn doch gar nicht erprobt haben«, wunderte sich der.
»O mir genügt, was ich gesehen und erfahren habe: Nach der Gesellschaft, die er sich ausgesucht hat, ist er ein übler Bursche!«

Das Schilfrohr und der Ölbaum

Über Stärke, Festigkeit und Ruhe stritten sich ein Schilfrohr und ein Ölbaum. Das Rohr, welches von dem Ölbaum darob getadelt ward, daß es aller Stärke entbehre und leicht von allen Winden hin und her bewegt werde, schwieg und sagte kein Wort. Nach einer kleinen Weile erhob sich ein heftiger Sturm; das hin und her geschüttelte Rohr hatte den Windstößen nachgegeben und blieb unbeschädigt, der Ölbaum dagegen, welcher sich den Winden entgegengestemmt hatte, wurde durch deren Gewalt gebrochen.

Der Löwe und der Bär

Ein Fuchs war einmal auf Jagd gegangen, einen guten Bissen zu erbeuten. Er war noch nicht lange unterwegs, als er ein lautes Streiten vernahm.
Ein Bär schlug mit seinen Tatzen nach einem Löwen und fauchte ihn wütend an: »Ich war der erste beim Hirschkalb. Die Beute gehört mir, ich habe sie gefangen.«
»Nein!« brüllte der Löwe zornig zurück. »Du lügst! Ich war als erster hier, und darum gehört die Beute mir.« Er wehrte sich kräftig und schnappte mit seinen scharfen Zähnen nach dem Fell des Bären.
Der Löwe und der Bär kämpften verbissen miteinander. Dem Fuchs erschien der Kampf endlos, denn nicht weit von ihm entfernt lag die Streitbeute, und er mußte sich zusammenreißen, daß er sich nicht gleich auf das Hirschkalb stürzte. Aber er war klug und sagte sich: »Sind die Streitenden erst erschöpft, so können sie mir nichts mehr anhaben.«
Als der Bär und der Löwe nach unerbittlichem Kampf endlich kraftlos zusammenbrachen, waren sie tatsächlich nicht mehr fähig, sich zu rühren. Der Fuchs schritt an ihnen vorbei und holte sich die Beute. Er verneigte sich höflich und sagte: »Danke, meine Herren, sehr freundlich, wirklich sehr freundlich!« Lachend zog er mit dem Hirschkalb ab.

Der Hahn und der Diamant

Ein hungriger Hahn scharrte auf einem Misthaufen nach Fruchtkörnern und fand einen Diamanten. Unmutig stieß er ihn beiseite und rief aus: »Was nützt einem Hungrigen ein kostbarer Stein; sein Besitz macht wohl reich, aber nicht satt. Wie gerne würde ich diesen Schatz um nur einige Gerstenkörner geben.«
Das Stücklein Brot, das dich ernährt,
ist mehr als Gold und Perlen wert.

Der Löwe und die Ziege

Auf einem sehr steilen Felsen erblickte ein Löwe eine Ziege. »Komm doch«, rief er ihr zu, »auf diese schöne fette Wiese herab, wo du die trefflichsten Gräser und Kräuter findest, während du dort oben darbest.«
»Ich danke dir schön für dein Anerbieten«, sprach die kluge Ziege, die wohl die Absicht des Löwen erkannte. »Dir liegt mehr an meinem Fleisch als an meinem Hunger. Hier oben bin ich vor dir sicher, während du mich dort unten sofort verschlingen würdest.«
Trau, schau, wem?

Der Hund und das Schaf

Ein Hund brachte vor Gericht vor, er habe dem Schaf Brot geliehen; das Schaf leugnete alles, der Kläger aber berief sich auf drei Zeugen, die man vernehmen müßte, und brachte drei bei. Der erste dieser Zeugen, der Wolf, behauptete, er wisse gewiß, daß der Hund dem Schaf Brot geliehen habe; der zweite, der Habicht, sagte, er sei dabeigewesen; der dritte, der Geier, hieß das Schaf einen unverschämten Lügner. So verlor das Schaf den Prozeß, mußte alle Kosten tragen und zur Bezahlung des Hundes Wolle von seinem Rücken hergeben.
Wenn sich Kläger, Richter und Zeugen wider jemand vereinigt haben, so hilft die Unschuld nichts



= Fabeln, Quelle: Sammlung aus dem Projekt Gutenberg-DE, 2017, http://gutenberg.spiegel.de/buch/fabeln-9534/1 [aus dem Web 22.1.2019]




Freitag, 24. März 2017

Abraham a Sancta Clara (1644-1709): Fabeln und Parabeln (aus Blog von 11. Oktober 2012)

"Edelmann und Nußkern"

Ein solcher Edelmann, der seiner Voreltern adlige Tugenden nit auch samt dem Blut erbt, kommt mir vor wie jener Prahler, der in allweg die gemeinen und gewöhnlichen Leut für verworfne Kanallien gehalten und nur sein Haus dem babylonischen Turm gleich geschätzt. Dieser nahm auf eine Zeit eine Nuß samt der grünen Hülsen und unzeitigen Überhüll und sagte also: »Gebet acht, wie ich euch die 3 Ständ: den Bauernstand, den Burgerstand und den Edelstand so artlich werd entwerfen. Erstlich diese grüne Hülsen bedeutet den Bauernstand: diese Hülsen muß man herabschälen – so müssen die Bauern auch geschunden werden. Die andre Schal bedeutet den Burgerstand: diese Schal ist hart, wessenthalben sie muß aufgebissen oder aufgeschlagen werden – so haben die Bürger harte Köpf, derentwegen mit ihnen nit subtil und zart zu verfahren ist. Der süße Kern aber bedeutet den Edelstand« und beißt zugleich die Nuß auf, findet aber wenig Kern, wohl aber einen Wurm, – der ihm ins Maul peroriert. »Pfui, Teufel!« sagt er und speit ihn wieder aus.
Pfui, pfui und abermal pfui! sag ich auch zu einem solchen Edelmann, der ein Kern soll sein von schönen Tugenden, von herrlichen Taten, von adligen Sitten und ist darneben nur ein Wurm, der da nagen und plagen tut seine Untertanen.

(Aus: Projekt Gutenberg-DE, aus dem Web am 11.10.2012, http://gutenberg.spiegel.de/buch/4075/8)


"Greisin und Tod"

Es ist eine Fabel, aber einer Wahrheit ganz gleich, daß ein armes altes Mutterl einmal in den Wald gegangen, um daselbst Holz zu klauben und zu ihrer Notdurft mit sich nach Haus zu tragen. Wie nun die arme Haut eine ziemliche Bürde zusammengebunden hatte, diese aber aus Schwachheit nit konnte auf den Kopf heben, da hat sie angefangen, inniglich zu seufzen und zu weinen. »Ach«, sagte sie, »ich elende Tröpfin! Ich denk noch wohl, daß mir kein Stiegerl zu hoch gewest, kein Tanz zu lang gewährt hat, keine Arbeit zu stark und hart gewest ist. Jetzt bin ich schon alt und gar nichts nutz mehr. O, mein Gott, nimm mich lieber zu dir! Der alte Kram (wie ich einer bin) hat doch keinen Kauf mehr auf der Welt. O, wär ich halt tot! Oh, wär ich doch tot!« Über diesem kommt und erscheint der Tod persönlich mit seiner Sensen und sagt: »Alte, da bin ich, gleichwie du dir gewünscht und begehrt! Also stell ich mich hier gegenwärtig.« – »Ja, ja«, gerauzt die alt Husterin; »ich gesteh's und kann's nit leugnen: ich hab' dir gerufen, aber nur darum, daß du mir helfest, die Trag(last) auf den Kopf zu heben. Alsdann kannst du wieder hingehn, wo du bist hergekommen.«
Freilich ist dies ein äsopisches Märl und Gedicht; allein es will doch nit unförmlich andeuten, daß die Menschen so ungern sterben und sogar die alten und vielerlebten Leut sich vorm Tod scheuen; aber warum dies? O forchtsame und hasenherzige Adamskinder, ihr betet ja alle Tag im Vaterunser: »Zukomm uns dein Reich!«

(Aus: Projekt Gutenberg-DE, aus dem Web am 11.10.2012, http://gutenberg.spiegel.de/buch/4075/13)


"Spinne und Seidenwurm"

Eine Spinne hat einmal wahrgenommen, daß der Seidenwurm so emsig in der Arbeit ist und unaussetzlich Seiden zurichtet. »Mein«, sagt sie, »was bist du für ein seltsamer Gispel, indem du Tag und Nacht dich bemühst, Seiden zu machen, womit sich andre Leut bekleiden, und dir, armen Narren, nichts anders vorgesetzt wird zu einer Speis als ein geringes Maulbeerblatt? Tust dich also nur wegen andrer Leut fretten und abplagen! – Ich«, fuhr die Spinn fort, »bin in dem Fall weit gescheiter; denn obschon ich spinne, so kommt's meinem Balg zu Nutzen, da ich nichts mach als Garn oder Netze, worinnen ich die Mucken fang für meine Speis. Da wär ich wohl eine große Närrin, wenn ich mich wegen andern möcht plagen.« – »Du«, gab zur Antwort der Seidenwurm, »bist eine bekannte giftige Bestie und hast keine einzige Lieb zum Nächsten! Weißt du nit, daß die Ochsen für andre ackern, die Schaf für andre Woll tragen, die Bäum für andre Frucht bringen? Der ist ein schlechter Kerl, der für sich allein lebt und seinem Nebenmenschen nit auch dient!«

 (Aus: Projekt Gutenberg-DE, aus dem Web am 11.10.2012, http://gutenberg.spiegel.de/buch/4075/17)

Lyrik von Erich Fried (1921-1988) (aus Blog von 13. Juni 2012)

Was geschieht 

 

Es ist geschehen
und es geschieht nach wie vor
und wird weiter geschehen
wenn nichts dagegen geschieht.

Die Unschuldigen wissen von nichts,
weil sie zu unschuldig sind
und die Schuldigen wissen von nichts,
weil sie zu schuldig sind. 

Die Armen merken es nicht,
weil sie zu arm sind
und die Reichen merken es nicht,
weil sie zu reich sind. 

Die dummen zucken die Achseln,
weil sie zu dumm sind
und die Klugen zucken die Achseln,
weil sie zu klug sind. 

Die Jungen kümmert es nicht,
weil sie zu jung sind,
und die Alten kümmert es nicht,
weil sie zu alt sind. 

Darum geschieht nichts dagegen
und darum ist nichts geschehen
und geschieht nach wie vor
und wird weiter geschehen. 

Erich Fried*


Gegen Vergessen 

 

Ich will mich erinnern
dass ich nicht vergessen will
denn ich will ich sein 

Ich will mich erinnern
dass ich vergessen will
denn ich will nicht zuviel leiden 

Ich will mich erinnern
dass ich nicht vergessen will
dass ich vergessen will
denn ich will mich kennen 

Denn ich kann nicht denken
ohne mich zu erinnern
denn ich kann nicht wollen
ohne mich zu erinnern
denn ich kann nicht lieben
denn ich kann nicht hoffen
denn ich kann nicht vergessen
ohne mich zu erinnern 

Ich will mich erinnern
an alles was man vergisst
denn ich kann nicht retten
ohne mich zu erinnern
auch mich nicht und nicht meine Kinder 

Ich will mich erinnern
an die Vergangenheit und an die Zukunft
und ich will mich erinnern
wie bald ich vergessen muss
und ich will mich erinnern
wie bald ich vergessen sein werde 

Erich Fried*


Meine grossen Worte 

 

werden mich nicht vor dem Tod schützen
und meine kleinen Worte
werden mich nicht vor dem Tod schützen
überhaupt kein Wort
und auch nicht das Schweigen zwischen
den großen und kleinen Worten
wird mich vor dem Tod schützen 

Aber vielleicht
werden einige
von diesen Worten
und vielleicht
besonders die kleineren
oder auch nur das Schweigen
zwischen den Worten
einige vor dem Tod schützen
wenn ich tot bin

Erich Fried*

Als kein Ausweg zu sehen war

 

Die umherirren
und sagen noch
daß sie wissen
daß sie umherirren
und daß sie noch sagen wollen
was sie in ihrem Umherirren sehen
wenn sie
noch etwas sehen
die haben noch etwas zu sagen 

Nämlich daß sie nichts sehen
wenn sie nichts sehen
und daß sie etwas sehen
wenn sie etwas sehen
und daß sie umherirren
weil sie nicht wissen wo
oder ob überhaupt noch
ein Weg der kein Irrweg ist
ist

Und vielleicht ist dann ihr Umherirren gar kein so arges 

Umherirren wie das derer die nicht sagen
daß sie wissen daß sie umherirren
und die nicht sagen wollen was sie dabei sehen
oder wenn sie nichts sehen nicht sagen wollen
daß sie nichts sehen
weil sie nicht sehen wollen
daß sie umherirren
und daß es vielleicht gar keinen Weg gibt

Erich Fried*


* Erich Fried (1921-1988), österreichischer Lyriker, Übersetzer für englische Literatur und Essayist.
Geboren in einer jüdischen Familie in Wien besuchte er das Gymnasium am Alsergrund. Sein Vater starb 1938 bei einem Verhör durch die Gestapo, es folgte die Emigration nach London. Dort schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und arbeitete 1952-1968 als Kommentator für den "German Service" der BBC. Aus drei Ehen gingen fünf Kinder hervor. Fried engagierte sich als junger Mann für den stalinistischen Kommunismus und Antifaschismus, dann für die deutsche 1968-er Bewegung und war Mitglied der deutschen "47-Gruppe" von Schriftstellern. Ab 1968 lebte er als geachteter und beachteter Mann von der Schriftstellerei vor allem in Deutschland und behandelte in Lyrik und Essays die politische Themen, Liebe, Tod und eigene Reflexionen. 1988 starb er in Baden-Baden an Darmkrebs und wurde auf dem Londoner Friedhof "Kensal Green" beigesetzt. (vgl. dazu: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Fried, vom 13.06.2012).

Die Liebe ist die Nahrung des Herzens (aus Blog von 21.März 2012)

Nun, wenn ich schon eine Seite eröffnen möchte und muss, dann tue ich das mit einem schönen Satz:

"Was immer die Menschen zu suchen scheinen, stets ist es die Liebe." Liebe - und damit meine ich das Herzensgefühl, die Nähe, die Vertrautheit des Kennens und Verstehens, die innere Einheit - diese Liebe hat kein Mensch, hat kein Geschöpf in diesem Universum je genug. Jede Pflanze blüht auf, wenn man sie mit Liebe und Freundlichkeit behandelt. Jedes Tier freut sich unbändig, wenn es merkt, dass es gelobt und geliebt wird. Nahrung, Wasser und Luft ernähren den Körper und die Energie gibt ihm Wärme und Kraft. Aber die Erfahrung von Liebe ernährt sein inneres Wesen, macht groß, erhaben, schön und freudig. Liebe beflügelt und befreit unseren Geist, gibt uns den Mut voranzuschreiten, löscht die Erinnerungen an Schmerz und Leid aus.

Das Gefühl, nicht geliebt zu werden, ist bitter, macht uns hart, unbarmherzig, klein, unsicher und ängstlich. Das Gefühl, nicht genug zu haben und nicht genug zu sein treibt die Menschen dazu, die fehlende Liebe und Geborgenheit, die fehlende Sicherheit mit Macht, Geld und Besitz kompensieren zu wollen. Diese Dinge sollen beliebt machen und Sicherheit geben, aber es ist ein Durst, der nie gestillt wird. Liebe kann man nicht kaufen, man kann sie nicht ertrotzen und gewaltsam erwerben, man kann sie nur geschenkt erhalten. Liebe löscht den Durst, nie genug zu haben. Liebe heilt und macht wieder ganz. Daher ist bedingungslose Liebe auch das größte Geschenk und das größte Opfer, das man geben kann.

Die höchste Summe allen Guten, das wir uns in etwa vorstellen können, nennen wir "Gott", und Gott ist damit auch gleichzeitig die höchste Liebe, Weisheit, Güte, denn Gott versteht absolut und heilt absolut. Und daher suchen die einen verzweifelt nach Gott und die anderen meinen, Gott niemals erreichen zu können, ja verstoßen worden zu sein. Aber Gott ist unendlich und hört nie auf, und daher ist Gott auch immer da, wir müssen nur unsere Hand innerlich ausstrecken und rufen. Unsere Fehler beruhen darauf, dass wir nicht "perfekt" sind, aber die Liebe heilt und macht ganz. Das ist auch die höchste Summe der Weisheit, die wir in diesem Universum je erlangen können, und die größte Erfahrung.